Flüchtig

Des Nachts, wenn trotz der Nähe
die Räume so leer sind
dass ich mich geborgen fühle.

Des Nachts, wenn trotz der Wärme
die Luft so kalt ist
dass ich spüre wie Sie zerbricht.

Des Nachts, wenn trotz der Lichter
der Himmel so klar ist
dass ich die Sterne sehen kann.

Des Nachts, wenn trotz der Seelen
die Stadt so ruhig ist
dass ich nicht einmal mich höre.

Des Nachts, wenn trotz der Straßen
die Welt so unwirklich scheint
dass ich an der Realität zweifle.

Des Nachts, mag ich dann glauben
dass zwischen Schatten und Licht
mehr wartet als ein Ende im Nichts.


"Liebling...." Es war dunkel, nicht einmal ihr Nachtlicht vermochte die Schatten, welche sich in ihrem Kinderzimmer festgesetzt hatten zu vertreiben. Ölig troffen sie von den Wänden. "...Kleines, du weißt, dass Daddy dich lieb hat, oder?..." Sie nickte nicht, seine raue Hand, die ihr den Mund zuhielt, verhinderte diese Bewegung. Ihr Atem flatterte einen Moment lang hektisch als er auch mit der zweiten Hand nach ihr Griff und sie eng an sich zog. "Samantha, du bist die Ältere, aber Daddy wird euch beide beschützen. Vertrau mir." Sie wollte weinen, schreien, um Hilfe rufen. Doch sie wusste, dass ihre Mommy ihr nicht glauben würde. Niemand glaubte ihr. Außer den Schatten. Zuckend und sich windend zogen sie sich zusammen, türmten sich hinter ihrem Daddy auf zu einem glibbrigen Berg aus Dunkelheit. Nicht einmal als dieser Wall sich vorbeugte und sein übergroßes Maul aufriss um sie alle zu verschlingen, nicht einmal da schrie sie. "...Vertrau mir, mach die Augen zu .... Daddy liebt dich..." Seine Stimme klang seltsam fahl. Sie schloss die Augen. Sie presste sich die Hände auf die Ohren um das kehlige Schmatzen nicht zu hören, hielt den Atem an um den fauligen Gestank nicht riechen zu müssen. Sie war 6 1/2 als ihr Daddy verschwand. Mit ihm gingen auch die Schatten. zumindest für eine Weile.

 

 

„Die Dunkelheit ist anders hier.“
„Wie anders?“
„Sie frisst meine Stifte!“

Sie waren umgezogen als die schlechten Träume ihres Bruders begannen.

Nach dem Umzug wurde es nur für kurze Zeit besser und dann,

an seinem 5ten Geburtstag sehr viel schlimmer.
All die Farben und die Lichter der Geburtstagsfeier, sie hielten nur bis zur abendlichen Dämmerung. Es roch noch nach der Kirsch-Sahne-Torte als ihr Bruder zu schreien begann. Spitz und schrill. Nicht wie sonst, leise und verängstigt. Er schrie nicht wie sonst, wenn er aus den Alpträumen erwachte. Aber sie konnte sich nicht bewegen. Die Dunkelheit lag zentnerschwer auf ihr, drückte sie in groben Stößen in die Laken ihres Bettes.
Kupfer floss mit jedem Atemzug in ihre Lunge, brannte in ihre Kehle.
Paul gurgelte im Nebenzimmer nach Luft und seine Schreie verkümmerten.
Erstarben unter dem Kissen.

Ein Schatten ist nicht die Abwesenheit von Licht, er wird geworfen durch das Licht, bildet die Grenze zwischen Licht und absoluter Dunkelheit. Licht zieht schattige Grenzen. So erklärte sie den Pflegeeltern weshalb das Licht nicht nur im Zimmer ihres Bruders, sondern auch in ihrem Zimmer weiter brennen musste. Sie bekamen beide ein extra helles Nachtlicht und eine gut bezahlte Therapie. Nyktophobie diagnostizierten die Ärzte. Nachtangst, die Angst die jedes Kind hat wenn es klein ist. Eine Angst die natürlich ist und sich verwächst sobald die Kinder größer werden. Sie wusste es besser, trotzdem lächelte sie. Bis in ihrem neuen Zuhause der Strom ausfiel und das Licht für eine ganze Nacht mit sich nahm.

“Du bist ein großes Mädchen, du brauchst dich nicht vor der Dunkelheit zu fürchten.“
“Ja Stephen, du hast recht.“
“Dein Vater hat sich gemeldet,
er wird euch besuchen kommen.“

“Er ist zu spät...“

Nur weil du etwas nicht sehen kannst, bedeutet es nicht, dass es dich nicht töten kann. Ihr Vater war schnell, sehr schnell und er kam strahlend wie ein Engel in die Dunkelheit. Sein Licht ließ die Schattenwölfe zurückschrecken, vertrieb die Monstren von ihrem Bett . Ihre Hände zitterten als sie sich an ihren Vater klammerte und sich bemühte, nicht allzu auffällig zu Atmen. Keine Träne, kein Wort. Keine Träne als das Licht erstickt wurde. Kein Wort als sie den heißen Atem der Wölfe wieder im Nacken spürte. Sie liefen. Ihr Vater würde sie beschützen. Es war nicht weit , nur über den Flur um zu dem Zimmer ihres Bruders zu gelangen. Nur über den Flur. In der Dunkelheit ist jeder Weg ,ein weiter Weg Sie roch das Kupfer in der Luft, sie spürte die feuchten Laken, sie hörte ihren Vater weinen.

“Daddy, bitte , bitte wir müssen gehen. Wir müssen ins Licht ...“ Ihr Atem flatterte, sie wollte Schreien, stattdessen griff sie nach der Hand ihres Vaters und zerrte ihn hinter sich her. Sie waren nur noch 2 Meter von der Haustür entfernt als die Straßenlaternen verloschen und die Schatten in stinkender Dunkelheit ertranken..

Alter: 27

Größe: 1,75m

Augenfarbe: blaugrau

 

 

To be continued